Erinnerungen werden wach
Im Jahr 2006 entschied das Bundesgericht, dass Retrozessionen im Vermögensverwaltungsgeschäft offengelegt und herausgegeben werden müssen, sofern keine andere Vereinbarung mit dem Kunden abgeschlossen wurde. Bei den Finanzintermediären machte sich damals regelrechte Panik vor einem möglichen Erdbeben breit. Auch wenn letztlich die finanziellen Auswirkungen für die meisten Banken wohl kleiner als befürchtet ausgefallen sind, hat der Entscheid wesentlich dazu beigetragen, die Art der Erbringung von Finanzdienstleistungen und die damit verbundenen Dokumentations- und Informationspflichten nachhaltig zu verändern.
Ein kürzlich veröffentlichter Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich weckt nun böse Erinnerungen.
Wie variabel sind variable Zinsen?
Konkret geht es um Geldmarkthypotheken («Libor-Hypotheken») und die Frage, wie die Zinssätze in einem Negativzinsumfeld festgelegt werden. In den Basisverträgen ist normalerweise festgehalten, dass sich der Kundenzinssatz aus dem Basiszins, z.B. dem Dreimonats-Libor, und der fixen Marge der Bank zusammensetzt. Im Extremfall würde dies in der Theorie bedeuten, dass ein Kunde von der Bank Geld erhält, wenn eine Marge von weniger als 75 Basispunkten vereinbart wurde.
Die Frage, mit der sich die Gerichte nun beschäftigt haben, ist, ob sich ein negativer Libor auf den zu bezahlenden Zins durchschlägt, oder ob dieser Wert nie negativ wird und bei einem negativen Libor für die Zinsberechnung immer von einem Basiswert von null (sog. Nullzinsfloor) ausgegangen wird.
Im vorliegenden Fall wurde der Kunde von der Bank über diesen Nullzinsfloor in periodischen Bestätigungsschreiben zusammen mit dem für die Zinsperiode geltenden Satz informiert. Das Obergericht hat diesem Bestätigungsschreiben nun die rechtserzeugende Kraft abgesprochen. Da dem Bestätigungsschreiben allein der Charakter einer vertraglichen Vereinbarung fehle, müssen die Banken grundsätzlich in jedem Einzelfall nachweisen, dass mittels einer separaten Vereinbarung ein Basiszins von mindestens null vereinbart wurde, so der Entscheid. In der Konsequenz kann der Kunde die zu viel belasteten Zinsen zurückverlangen.
Handlungsbedarf aufgrund der Umstellung auf Saron
Potentiell betroffen sind Libor-Hypotheken, bei denen eine vertragliche Vereinbarung bezüglich eines Nullzinsfloors fehlt. Meist sind dies Hypotheken, die vor der Einführung der Negativzinsen abgeschlossen wurden.
Auch wenn noch viele Fragen offen sind, besteht beim Bestimmen eines möglichen (finanziellen) Risikos und bei der Überprüfung der Verträge, insbesondere mit Blick auf die bevorstehende Ablösung des Libors durch den Saron, dringender Handlungsbedarf.