Künstliche Intelligenz (KI) – schleichende Revolution in der Finanzbranche

Kaum ein Begriff wurde in den vergangenen Jahren so häufig als Trend genannt und bleibt bis heute doch so abstrakt, bisweilen sogar mysteriös: Wir hinterfragen das allgemeine Verständnis künstlicher Intelligenz, warum KI nicht schon stärker in unser Berufsleben Einzug erhalten hat und beleuchten Gründe, warum sich trotz eventueller Skepsis eine Diskussion über künstliche Intelligenz in jedem Finanzinstitut lohnen kann.

«Künstliche Intelligenz» – eine irreführende Bezeichnung

Aus der Unterhaltungsbranche ist uns «künstliche Intelligenz» seit Jahrzehnten ein Begriff. In Science-Fiction-Werken werden immer wieder autonome und letztlich unkontrollierbare Computersysteme erschaffen. Obgleich die meisten dieser Geschichten tief in die Schublade der Fiktion gehören, suggeriert uns der Begriff «künstliche Intelligenz» doch einen maschinellen Intellekt, welcher in der Realität nicht existiert. Ohne an dieser Stelle einen philosophischen Exkurs starten zu wollen, ist es für unser Verständnis von künstlicher Intelligenz unabdinglich, dass wir uns bewusst sind, was wir überhaupt unter «Intelligenz» verstehen. Entgegen einer weit verbreiteten, nicht zuletzt durch die Filmindustrie geschürten, grundsätzlichen Sorge um menschlichen Kontrollverlust, ist nicht alles, was in einem marginalen Bereich unseres Lebens effizienter ist als wir Menschen, auch intelligent. Ein Taschenrechner kann beispielsweise komplexe Rechenwege in Sekundenbruchteilen lösen - für Menschen eine nahezu unmögliche Herausforderung. Kaum jemand würde aber deshalb behaupten, dass ein Taschenrechner intelligent sei. Im Gegenteil: Wie der Taschenrechner, so bewegt sich auch künstliche Intelligenz in einem für sie abgesteckten Rahmen und vollführt darin jene Aktionen, die durch Menschen vordefiniert wurden – im Grunde eine stark eingeschränkte und kontrollierbare Abfolge von Prozessen. Wenn wir im Berufsalltag also umgangssprachlich von «künstlicher Intelligenz» sprechen, meinen wir normalerweise eine «intelligente Automatisierung».

Zwischen Fiktion und Realität – was kann KI?

Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten künstlicher Intelligenz unterschieden:

Artificial General Intelligence (AGI) bezeichnet ein autonom funktionierendes Computersystem, welches neben einem Selbstbewusstsein auch Empfindungsvermögen besitzen kann – also grundsätzlich in der Lage ist, menschenähnliche kognitive Fähigkeiten zu entwickeln. Diese Art, auch «starke KI» genannt, existiert heute nur als Science-Fiction – verschiedene Zukunftsforschungen gehen davon aus, dass wir noch Jahrzehnte von der Entwicklung einer AGI entfernt sind, falls dies denn überhaupt je möglich sein wird.

Artificial Narrow Intelligence (ANI), auch «schwache KI» genannt, kann hingegen nur für eine vordefinierte Bandbreite an Aufgaben und zu spezifischen Zwecken eingesetzt werden. Praktisch alle intelligenten Computersysteme arbeiten heute mit ANI. Allseits bekannte Beispiele für ANI sind Home Assistants (z.B. Siri, Alexa, Google Assistant), Chatbots, aber auch individualisierte Analysen (z.B. Vorschau von Einnahmen und Ausgaben in unserem E-Banking).

Der Unterschied zwischen AGI und ANI besteht zusammengefasst darin, dass AGI als autonomes System jede Problemstellung themenunabhängig behandeln könnte, wie dies auch ein Mensch tun würde, während ANI als «Werkzeug» zur Bearbeitung einer oder weniger spezifischer Problemstellungen geschaffen wird, ohne diese selbstständig lösen zu können.

Warum blieb der Siegeszug der KI in der Finanzbranche bisher aus?

Wer sich mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in seinem Unternehmen beschäftigt, wird feststellen, dass Argumente gegen KI weitaus schneller und präziser formuliert werden können als Argumente dafür. Dies sollte allerdings keinesfalls als Anlass genommen werden, eine KI-Initiative zu begraben. Stattdessen hat die Liste von Gegenargumenten das Potenzial, Missstände oder strategischen Handlungsbedarf unabhängig von einer KI-Implementierung offenzulegen. In einem kurzen Exkurs beleuchten wir einige uns häufig genannte «Ausreden» in der Debatte um einen KI-Einsatz und erläutern, warum diese eine Chance bieten können.

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Keine Angst vor neuen Lösungsansätzen

Ein gewisser Respekt vor autonom funktionierenden Maschinen ist nur allzu menschlich. Der Einsatz künstlicher Intelligenz hat allerdings mit einer Entfesselung unkontrollierbarer Computersysteme nichts gemein. Stattdessen bedingt eine KI-Implementierung und deren Betrieb ein hohes Mass an vorgängiger Analyse und die Bereitschaft, bestehende Prozesse grundsätzlich zu hinterfragen und zu verbessern: Ein Aufwand, der mit nachhaltiger Zeit- und Kostenersparnis, Qualitätssteigerung oder erhöhter Messbarkeit von KPIs belohnt werden kann. Obgleich nicht jedes Unternehmen einen Mehrwert im Einsatz künstlicher Intelligenz sieht, so kann im Rahmen eines «Self-Assessments», wie diese von gwp in verschiedenen Fachbereichen durchgeführt werden, schnell eine Einordnung des Digitalisierungsgrades, der Maturität des Risikomanagements und der Governancestruktur sowie ein Kompetenzabgleich der Fachbereiche mit Anforderungen zur Erreichung strategischer Ziele getätigt werden.

08.04.2021