Was bisher geschah
Sie erinnern sich an die Geschichte von Erich Müller, Bäckermeister und Präsident des örtlichen Curlingvereins, vom Juni 2020? Ja genau, es war jener Erich, der mit einem blauen Auge davonkam, nachdem er fast die gesamte geerbte Million davonschwinden sah. Ende gut, alles gut. Nicht ganz: Erich machte sich einige Gedanken, wie er in Zukunft sein Vermögen sicherer anlegen könnte. Er entschied alsbald, eine neue Bank für die Anlage seines Vermögens zu suchen. Der Berater der «Solid Bank AG» meinte noch, als Erich die Kontobeziehung saldierte, dass die «Solid Bank AG» die Vorgaben des FIDLEG bereits jetzt vollständig umgesetzt hätte. Auch das Mandat mit der Vermögensverwalterin «Ehrlich Capital Invest AG» hatte Erich unlängst aufgekündigt.
An einem spielfreien Wochenende setzt sich Erich an seinen Computer und startet seine Recherche über das FIDLEG und seine zukünftige Bankbeziehung.
Das FIDLEG
Mit Elan tippt Erich «FIDLEG» in die Suchmaschine ein, um mit über 100'000 Treffergebnissen konfrontiert zu werden. Das zweite Ergebnis führt Erich auf die Webseite der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dort direkt zum Gesetzestext vom Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG. Das tönt ja vielversprechend: Das FIDLEG bezweckt den Schutz der Kundinnen und Kunden von Finanzdienstleistern sowie die Schaffung vergleichbarer Bedingungen für das Erbringen von Finanzdienstleistungen durch die Finanzdienstleister und trägt damit zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei. Dazu legt es die Anforderungen für die getreue, sorgfältige und transparente Erbringung von Finanzdienstleistungen fest und regelt das Anbieten von Finanzinstrumenten.
Während Erich das so liest, findet er, dass die «Solid Bank AG» und die «Ehrlich Capital Invest AG» doch noch einiges Verbesserungspotential hätten. Beim Weiterblättern im Gesetzestext des FIDLEG ist Erich über die Menge der Artikel und den Umfang des Gesetzes überrascht. Wie soll er sich da zurechtfinden und herausfinden, welche Punkte für ihn relevant sind?
Und so verfeinert er seine Recherche mit dem Zusatz der ihm bekannten Finanzinstitute. Er entscheidet sich, vier Finanzinstitute in Bezug auf die zur Verfügung gestellten Informationen zum FIDLEG miteinander zu vergleichen.
Die Informationen
Dies dürfte kein leichtes Unterfangen sein, denkt sich Erich. Dennoch navigiert er sich bei drei von vieren relativ rasch zur richtigen Stelle auf der Website. Die Erstinformationen die er dort erhält, sind nicht viel ausführlicher als der Text zu Zweck und Gegenstand des FIDLEG. Um mehr zu erfahren, muss sich Erich durch die Websites «klicken» und findet dort viele weitere Informationen. Aber was interessiert ihn eigentlich? Er möchte über folgende Themen Bescheid wissen:
- Die Kundenklassifizierung,
- die Risiken,
- die Produkte,
- die Kosten,
- und die Ausführungsprinzipien.
Zwei Finanzinstitute stellen die Informationen in kompakten Broschüren im Umfang von rund 20 Seiten zur Verfügung. Dies vermag einen verständlichen Überblick zu bieten. Dennoch ist dies eine ganze Menge an Informationen, die es zu verstehen gilt. Man stelle sich mal vor, dass man vor dem Kauf eines Skischuhes eine zwanzigseitige Broschüre lesen sollte. Zugegeben, vielleicht ein etwas sportlicher Vergleich.
Zur Aufklärung der Risiken überhäufen drei Finanzinstitute ihre Kunden regelrecht mit rund hundertseitigem Infomaterial. Ein Finanzinstitut «erschlägt» seine Kunden geradezu mit einem zwanzigseitigen Dokument zu den Kosten. Und auch zu den Ausführungsprinzipien muss sich Erich durch zig Seiten an Informationen kämpfen.
Wie weiter?
Erich ist ein wenig desillusioniert. Nach seiner bitteren Erfahrung im Sommer hat er sich erhofft, dass er mit dem Studium von kompakten Informationen seinen zukünftigen Finanzdienstleister aussuchen könne. Erich beschliesst für sich, dass er je ein Beratungsgespräch mit einem Finanzinstitut mit sehr umfangreichem Infomaterial und einem mit der kompakten FIDLEG-Broschüre vereinbaren wird, um sich danach zu entscheiden. «Wäre doch schon das Jahr 2025» sagt sich Erich, denn dann könnte er mit dem «Compliance Crawler» (vgl. gwp Monthly - Dezember 2019) ganz einfach den für ihn richtigen Finanzdienstleister selektieren.
Reduce to the max
Die FIDLEG-Vorgaben sind bis zum 31. Dezember 2021 vollständig umzusetzen. Also bleibt eigentlich noch genügend Zeit für die Finanzdienstleister, ihre Hausaufgaben zu machen. Wie wir aber alle wissen, vergeht ein Jahr meistens doch schneller als gedacht. Für Erich wäre es hilfreich gewesen, wenn er über eine grössere Auswahl an Finanzdienstleistern verfügt hätte, die kompakt und kundenfreundlich über die FIDLEG-Vorgaben informieren. Mit den bereits heute verfügbaren technologischen Hilfsmitteln wären dazu beispielsweise nutzerfreundliche Applikationslösungen für eine «smarte» Kundeninformation denkbar.
Austrainierte Kundenberater
Die informative und technische Aufbereitung des FIDLEG für die Kunden ist das eine. Das andere ist, dass sich auch die Kundenberater mit sämtlichen Vorgaben vertraut machen müssen. Natürlich ist vieles schon lange gültig und die Kundenberater haben bereits danach beraten. Dennoch bringt das FIDLEG einige Neuerungen mit sich. Und auch der moderne Kundenberater wacht nicht einfach auf und kennt das FIDLEG aus dem «Effeff». Mit gezielten Trainings sollten sich die Kundenberater fit machen, um ihren Anteil am Erfolg und Ansehen des Finanzplatzes Schweiz zu leisten. Denn sich zu lange auf den Lorbeeren auszuruhen, war selten ein erfolgreiches Geschäftsmodell.
Fazit
Der Anlegerschutz ist ein wichtiges Gut. Ebenso das Qualitätssiegel des Schweizer Finanzplatzes. Es braucht nun aber von allen einen weiteren Effort, damit wir mit der FIDLEG-Umsetzung die gesteckten Ziele erreichen und sogar übertreffen können. Es lohnt sich zweifellos, durchdachte und kundenfreundliche Anlegerschutzinformationen zu «bauen» und nicht bloss die Gesetzestexte und andere generischen Informationsbroschüren dem Kunden vorzulegen.