Leerverkaufsverbot: Divergierende Regeln der Marktaufsichtsbehörden

In Zeiten turbulenter Märkte geraten Aktienleerverkäufe immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und ins Visier der Marktaufsichtsbehörden – nach der Finanz- und Bankenkrise von 2007 bis 2009 letztmals im März 2020.

Was sind Aktienleerverkäufe?

Während optimistische Anleger mit steigenden Kursen rechnen, wettet ein Aktienleerverkäufer darauf, dass der Aktienkurs fallen wird. Dahinter steckt die Absicht, ausgeliehene Aktien unmittelbar zu verkaufen (gedeckter Leerverkauf), in der Hoffnung, diese nach einer gewissen Zeit günstiger zurückkaufen zu können und somit von fallenden Kursen zu profitieren.

Global divergierende Leerverkaufsregulierungen

Mit dem Verbot von Leerverkäufen - auch «Short Selling Bans» genannt - inmitten von Marktverwerfungen, verfolgen Marktaufsichtsbehörden das Ziel, Aktienkurse zu stabilisieren, einen Crash zu entschleunigen und das Vertrauen der Marktteilnehmer zu stärken. Doch wie sieht die weltweite Ausgestaltung aus?

Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Belgien, Griechenland (von Mitte März bis 18. Mai 2020), China und Indien beschlossen, Leerverkäufe und somit Wetten auf fallende Kurse zu verbieten; andere Länder warnten davor, dass Verbote Marktverwerfungen weiter begünstigten. Die USA, Grossbritannien, Deutschland und die Schweiz haben mehrmals unterstrichen, dass in Krisenzeiten nicht-transparente Börsen und ein direktes Eingreifen in die Märkte durch ein Verbot nicht zielführend sei.

Hauptargument für die rasche Aufhebung der zweimonatigen Leerverkaufsverbote in den betroffenen europäischen Ländern waren die zugrundeliegenden Marktdaten, die zeigen, dass die Kursperformance insgesamt nicht besser ist als jene in vergleichbaren Rechtsordnungen, die keinen Beschränkungen unterliegen.

Regulierung in der Schweiz

In der Schweiz bestand ab 2008 ein Leerverkaufsverbot für Finanztitel, welches 2009 wieder aufgehoben wurde. Die SIX Swiss Exchange lässt gedeckte Leerverkäufe (mit einer Wertpapierleihe unterlegt) grundsätzlich zu, kann jedoch in besonderen Situationen zusätzliche Regelungen erlassen. In der Schweiz besteht momentan keine Meldepflicht für Leerverkäufe. Deshalb gibt es im Markt tendenziell weniger Hinweise auf potentiell missbräuchliches bzw. marktbeeinflussendes Verhalten, denen die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) in der Folge nachgeht. (Leer-)Verkäufe sind dann marktmissbräuchlich, wenn eine marktbeeinflussende Absicht vorliegt.

Fazit

Trotz international divergierender Regeln und bestehender Vorbehalte gegenüber Wetten mittels Leerverkäufe, gibt es durchaus legitime Gründe für eine Daseinsberechtigung von Leerverkäufen – insbesondere im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung liquider Märkte.

Dennoch, die latent kritische Wahrnehmung von Leerverkäufen wird voraussichtlich weiterhin bestehen bleiben und die Regulatoren dürften bei den nächsten Marktturbulenzen wiederum unterschiedlich reagieren.

23.07.2020