Die USA haben Wirtschaftssanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) genehmigt, um das Gericht davon abzuhalten, US-Militärangehörige, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Afghanistan verdächtigt werden, strafrechtlich zu verfolgen. Der International Criminal Court (ICC), der von 123 Staaten - darunter die Schweiz - unterstützt wird, lehnte seinerseits einen «inakzeptablen Versuch, die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben» ab.
Diese - eigentlich undenkbare - US-Sanktion gegen eine internationale Institution ist eine globale Premiere. Abgesehen von den politischen Fragen, die diese Geste aufwirft (Infragestellung des Multilateralismus und der Unabhängigkeit der Justiz), stellt sie für jeden Finanzintermediär in der Schweiz einen Anlass dar, die eigene Risikomanagementpolitik im Hinblick auf Sanktionen zu überdenken.
In der Praxis überwachen die Banken ihre Kunden und Transaktionen systematisch im Hinblick auf Sanktionen, dies mithilfe externer Instrumente.
Doch das Schweizer Recht erlaubt – in Abhängigkeit vom konkreten Fall - die Verweigerung der Anwendung solch strittiger ausländischer Sanktionen
Denn zum einen wäre es ausgeschlossen, dass ein Finanzintermediär unterschiedslos Sanktionen ausländischer Staaten anwendet, die von den Schweizer Behörden abgelehnt, bedauert oder deren Aufhebung beantragt wird
Zum anderen hat die US-Sanktionsverordnung keine direkte rechtliche Grundlage im Schweizer Recht. Die FINMA ist jedoch der Ansicht, dass die Zunahme der internationalen und ausländischen Sanktionen die Rechts- und Reputationsrisiken erhöht. So muss eine Bank im Hinblick auf ihre Aufsichts-, Organisations- und Risikoverwaltungspflichten insbesondere die Einhaltung der US-Vorschriften über internationale Sanktionen auf der Grundlage eines risikobasierten Ansatzes sicherstellen (FINMA, Jahresbericht 2018, S. 47 und 52).
Die Einschätzung des Risikos ausländischer Sanktionen kann daher von Fall zu Fall vorgenommen werden. Der Ansatz muss formalisiert sein und die endgültige Entscheidung ist von der Geschäftsleitung zu treffen. Im Zusammenhang mit den US-Sanktionen gegen den IStGH hängt der Spielraum für eine Höherbewertung in der Regel von der verwendeten Währung und dem operationellen Risiko ab:
- Im Falle einer Transaktion in US-Dollar wird davon ausgegangen, dass die Transaktion aufgrund der vertraglichen Beziehung zwischen der Bank und der Clearingstelle (zwangsläufig in den USA), von der sie die Fremdwährung bezieht, dem US-Recht unterliegt. In diesem Kontext wird durch die Entscheidung, eine US-Sanktion nicht anzuwenden, das operationelle Risiko stets konkret. Bei anderen Währungen besteht ein geringeres Risiko.
- Das operationelle Risiko kann sich sodann in Form einer Sperrung und schlimmstenfalls im Verlust des US-Clearing-Hauses, das sich nicht bereit erklärt, unter US-Sanktionen direkt oder indirekt für Kunden zu handeln, manifestieren. Eine solche Beschränkung ist auch vertraglicher Natur, d.h. die Bank verpflichtet sich positiv zur Einhaltung der Sanktionspolitik ihres Kontrahenten und umgekehrt. Im Falle der Nichteinhaltung der daraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen kommt zum vorgängig beschriebenen operationellen Risiko noch das Rechtsrisiko hinzu.
Was können wir daraus schliessen?
Nach schweizerischem Recht ist es möglich, die Anwendung umstrittener oder ungerechtfertigter ausländischer Sanktionen abzulehnen. Die Risikobeurteilung muss jedoch definiert und in Richtlinien und Verfahren formalisiert werden sowie in Übereinstimmung mit den intern festgelegten Sorgfaltsvorschriften jeder Institution erfolgen.
Im Gegensatz dazu muss ein Finanzintermediär, der dem Schweizer Recht untersteht, die Sanktionen und Embargobescheide der Schweizer Behörden strikt durchsetzen. In dieser Hinsicht besteht kein Handlungsspielraum.