Die revidierte Liquiditätsverordnung ist in Kraft

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt hat der Bundesrat die revidierte Liquiditätsverordnung am 1. Juli 2022 in Kraft gesetzt. Worum geht es und weshalb sollten sich die gesamte Bankbranche, aber auch die Bankkunden dafür interessieren?

Systemrelevante Banken im Fokus

Die Änderungen der Liquiditätsverordnung gelten ausschliesslich für die systemrelevanten Institute UBS, Credit Suisse, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank und PostFinance. Für alle anderen Bank bleiben die Liquiditätsanforderungen unverändert. Systemrelevant ist eine Bank dann, wenn sie für die schweizerische Volkswirtschaft unverzichtbar ist. Unverzichtbar sind die systemrelevanten Banken deshalb, weil sie im Inland bei Einlagen, Krediten und im Zahlungsverkehr gemeinsam über einen Marktanteil von über 50% verfügen und je einzeln in ihren jeweiligen Märkten eine bedeutende Stellung innehaben. Geraten sie in eine Krise, verfügt die FINMA über ein Instrumentarium, um sie zu sanieren oder, falls dies nicht gelingt, geordnet abzuwickeln. Man geht davon aus, dass eine staatliche Rettung wie seinerzeit bei der UBS – hoffentlich – nicht mehr notwendig sein wird.

Bedeutung der Liquidität in der Krise

Die globale Finanzkrise 2007 – 2009, aber auch die Covid-Krise haben gezeigt, welch zentrale Bedeutung die Liquidität für die Stabilität der jeweiligen Bank und die gesamte Volkswirtschaft hat. Bei einem Liquiditätsmangel kann sich die Situation einer Bank sehr rasch zuspitzen. Die Bilder von «Bankstürmen» in England und den USA während der Finanzkrise – es bildeten sich lange Schlagen vor den Bankschaltern – sind uns noch in lebhafter Erinnerung. Das Vorhalten von genügend Liquidität durch das einzelne Institut zur Bewältigung von Krisensituationen muss daher, neben einer überzeugenden staatlichen Notfallliquiditätshilfe, eine hohe Priorität haben. Die neuen Bestimmungen der Liquiditätsverordnung leisten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer angemessenen Liquidität der systemrelevanten Banken.

Grundzüge der neuen Bestimmungen

Gemäss Bankengesetz haben systemrelevante Banken anders als alle anderen Banken «besondere Liquiditätsanforderungen» zu erfüllen. Bis zur Revision der Liquiditätsverordnung bestand für diese indes keine Pflicht, mehr Liquidität vorzuhalten als jede andere Bank. Die im Zuge der Finanzkrise vom Gesetzgeber verlangte erhöhte Widerstandsfähigkeit, um auch grössere Liquiditätsschocks zu überstehen, blieb daher zunächst Theorie.

Grundlegend neu ist, dass genügend Liquidität nicht nur im «business as usual», sondern auch für die Sanierungsphase, d.h. nach Anordnung von Insolvenzmassnahmen durch die FINMA (also nach Überschreiten des sog. «point of non-viability»), verlangt wird. Zudem definiert die Verordnung Grundanforderungen, welche alle systemrelevanten Banken dauernd erfüllen müssen. So sind etwa Liquiditätsrisiken aus der Erneuerung von Krediten und ein Stressszenario von 90 Tagen (bisher nur 30 Tage) abzudecken. Im Weiteren kann die FINMA institutsspezifische Zuschläge je nach Risikoprofil der entsprechenden Bank, wie z.B. Zusatzanforderungen für den Bedarf an Innertagsliquidität, verfügen. Mittels sog. liquiditätsgenerierenden Massnahmen, insbesondere durch Anrechnung bestimmter Wertpapiere, lassen sich die Anforderungen verringern. Ein Novum für die Schweiz ist schliesslich, dass die ausserordentliche Liquiditätshilfe der SNB in gewissem Umfang zur Erfüllung der Liquiditätsanforderungen angerechnet wird.

Fazit

Mit der Revision der Liquiditätsverordnung konnte in der Schweiz eine der letzten Lücken zur Sicherstellung der Resilienz und Krisenfestigkeit der systemrelevanten Banken geschlossen werden. Damit wird das Finanzsystem insgesamt widerstandsfähiger und stabiler, was allen Finanzmarkteilnehmern sowie den Bankkunden zugutekommt.

11.08.2022